Einheit in Vielfalt: Die Evangelische Allianz als Netzwerk des Glaubens

Die Evangelische Allianz ist eines der bedeutendsten christlichen Netzwerke weltweit – und doch bleibt sie für viele ein wenig greifbares Konstrukt. Ein Dachverband ist sie nicht, vielmehr ein lebendiges Netzwerk aus etwa 400 Werken und rund 900 Ortsallianzen allein in Deutschland. Im Zentrum steht die gemeinsame Glaubensbasis, die über konfessionelle Unterschiede hinweg verbindet. Was das in der Praxis bedeutet, hat Dr. Reinhardt Schink, Vorstand der Evangelischen Allianz in Deutschland, im Adlerblick-Podcast erläutert.

Eine Bewegung mit Geschichte – und Zukunft

Die Ursprünge der Evangelischen Allianz reichen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Christen verschiedener Hintergründe erkannten damals, dass sie trotz theologischer Unterschiede auf Jesus als Mitte ihres Glaubens fokussiert bleiben können. Die Einheit im Kern und die Vielfalt in den Ausdrucksformen – dieses Prinzip gilt bis heute.

Die Allianz versteht sich als polyzentrisches System, in dem verschiedene Werke eigenständig agieren, sich aber gleichzeitig bewusst für die Zusammenarbeit entscheiden. „Ein Netzwerk lebt von Überzeugung und gemeinsamer Zielsetzung, nicht von Hierarchien“, so Schink.

Einheit durch Haltung

Ein entscheidender Grundsatz der Evangelischen Allianz lautet: „Wir reden nicht schlecht übereinander.“ Eine scheinbar einfache Regel mit großer Wirkung – und einer Herausforderung, die wohl jeder kennt. Besonders in Zeiten gesellschaftlicher Spannungen und Polarisierungen ist eine Haltung der Wertschätzung und des konstruktiven Austauschs gefragt. Auch innerhalb des christlichen Spektrums gibt es unterschiedliche Meinungen zu theologischen und gesellschaftlichen Fragen. Doch die Evangelische Allianz setzt darauf, dass Einheit nicht bedeutet, Uniformität zu erzwingen. „Unsere Einheit liegt nicht darin, dass wir theologisch überall übereinstimmen, sondern in der gemeinsamen Zugehörigkeit zu Christus“, erklärt Schink.

Führung in einem Netzwerk – eine besondere Herausforderung

Wer ein Unternehmen leitet, kann klare Anweisungen geben. In der Evangelischen Allianz ist das anders. Als Netzwerk ohne zentrale Steuerung funktioniert Leitung nicht über Hierarchie, sondern über Überzeugungskraft. Schink betont, dass diese Form der Führung eine hohe intrinsische Motivation fördert. Menschen engagieren sich nicht, weil sie müssen, sondern weil sie es wollen.

Diese Struktur macht die Allianz flexibel und widerstandsfähig zugleich. Während Unternehmen oft um eine starke Unternehmenskultur ringen, entsteht hier eine natürliche Bindung durch den gemeinsamen Glauben und die geteilte Mission. „Gottes Reich wird nicht durch Strategiepapiere gebaut, sondern durch Menschen, die sich aus Überzeugung einsetzen“, so Schink.

Herausforderungen der Gegenwart

Spannungen innerhalb der christlichen Gemeinschaft entstehen oft nicht durch zentrale Glaubensfragen, sondern durch gesellschaftliche Themen oder persönliche Präferenzen. „Ob Maskenpflicht oder Gottesdienstformate – viele Diskussionen der letzten Jahre haben Gemeinden vor Zerreißproben gestellt“, sagt Schink. Die Evangelische Allianz setzt hier auf Toleranz im besten Sinne: ein bewusstes Aushalten von Unterschieden, ohne die Beziehungsebene zu gefährden. Einheit bedeutet nicht, Differenzen zu ignorieren, sondern sie in einem Geist der Geschwisterlichkeit zu tragen.

Ein Wunsch für die Zukunft

Was wünscht sich Reinhardt Schink für die Christen in Deutschland? Eine tiefe Jesusnähe, verbunden mit kindlichem Vertrauen. „Wir müssen nicht alles selbst regeln – am Ende ist es Christus, der seine Gemeinde baut und vollendet.“ Diese Perspektive gibt Gelassenheit und gleichzeitig Motivation, sich für das Miteinander und für Gottes Wirken in der Welt einzusetzen.

Die Evangelische Allianz zeigt: Einheit ist keine starre Struktur, sondern eine gelebte Haltung. Sie ist herausfordernd – aber sie lohnt sich.

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Das ADLERBLICK-Interview mit Dr. Reinhardt Schink in voller Länge gibt es bei Spotify, Apple Podcast, Youtube oder hier!